Kraken faszinieren und haben in unzähligen Formen und Variationen Einzug in unsere Wohnungen gehalten. Kraken sind die ältesten intelligenten Lebewesen unseres Planeten, wahre “Aliens”, deren Fähigkeiten staunen lassen. Gleichzeitig landen sie weltweit als “Pulpo” auf den Tellern. Die Wildbestände schrumpfen, die Nachfrage ist ungebrochen – daher wird schon länger für Oktopusfabriken geforscht. Doch ein Leben in Massentierhaltung ist für jedes fühlende Lebewesen mit großem Leid verbunden – so auch für diese einzelgängerischen Kopffüßer. Und darauf angewiesen sind wir doch eh nicht! Zum Welttag für das Ende der Fischerei am 29. März 2025 möchten wir dich dazu inspirieren, dich gegen geplante Oktopusfabriken und für das Ende der Oktopusfischerei zu engagieren.

Eine wachsende Nachfrage nach Kopffüßern
Laut AnimalEquality (10/2024) tötet die „Fischerei“ je nach Schätzung jedes Jahr zwischen 800 und 2.300 Milliarden Wassertiere. Dazu kommen noch 50 bis 130 Milliarden Wassertiere aus „Aquakulturen“ (Fischfarmen). Insgesamt 10-mal mehr als Landwirbeltiere (etwas mehr als 73 Milliarden).
Mit der zunehmenden Überfischung durch die kommerzielle Fischerei stieg das Interesse an Kopffüßern (Cephalopoda) – diese gehören zu den Weichtieren (Mollusca) und kommen nur im Meer vor. Eine Unterklasse der Kopffüßer sind Tintenfische (Coleoidea), die in zwei Klassen eingeteilt werden:
zehnarmige Tintenfische, z.B. Sepien oder Kalmare
achtarmige Tintenfische, z.B. Kraken wie der Oktopus
Die weltweite Anzahl (diese wird nur in Tonnen und nicht in der Anzahl von Individuen angegeben!) an getöteten Kraken ist seit 1950 gestiegen und erreichte 2015 zum ersten Mal 400.000 Tonnen – mehr als das 10-fache der Zahlen von 1950. Asien und das Mittelmeer sind die Hauptfanggebiete für Kraken. Die wichtigsten Länder, die an der Krakenfischerei beteiligt sind, sind China, Japan, Marokko, Mauretanien, Spanien, Portugal und Italien.
Wild gefangene Kraken werden auf der ganzen Welt verzehrt, insbesondere in mehreren Mittelmeerländern in Europa sowie in Asien und Mexiko und den USA. Infolgedessen sind Kraken zunehmend unter Druck geraten, was zu einem Rückgang der wilden Populationen geführt hat.
Laut FAO (12/2024) sind Italiens Tintenfisch-Kühllagerbestände fast erschöpft und Spaniens Reserven schrumpfen. Spanien ist zum Hauptimporteur von Kraken in Europa geworden – Herkunftsländer sind Marokko und Mauretanien, gefolgt von Mexiko, Senegal und Indonesien. Doch in 2024 wurde das Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko für ungültig erklärt, was es der EU erschwert, ausreichende Mengen für die Versorgung des europäischen Marktes, insbesondere für die Sommerferienzeit, zu beziehen. Aktuell ist unsicher, ob das Abkommen mit Mauretanien ebenfalls als ungültig erklärt wird.
Die wachsende Marktnachfrage und die steigenden Preise führten dazu, dass die Lebensmittelindustrie Kraken in Gefangenschaft züchten möchte und der spanische Fischereikonzern Nueva Pescanova* glaubt nun, eine Lösung gefunden zu haben – mit der weltweit ersten Oktopus-Fabrik auf Gran Canaria. Doch ein Leben in beengter Massentierhaltung ist laut Experten für Oktopusse mit unvorstellbarem Leid verbunden. Sie gelten als Einzelgänger und können mit Aggressionen und Kannibalismus reagieren. Schätzungsweise 20 Prozent würden die Zucht gar nicht erst überleben.
* Nueva Pescanova S.L. ist ein spanischer Fischereikonzern mit Sitz an der galicischen Atlantikküste, nordöstlich von Vigo, dem bedeutendsten Fischereihafen der Welt. Das Unternehmen ist mit einem Umsatz von über 1 Mrd. Euro und annähernd 12.000 Mitarbeitern in 19 Ländern vertreten, besitzt rund 60 eigenen Schiffen und erzeugt jährlich 150.000 Tonnen an Fischereiprodukten. Es ist das größte Fischereiunternehmen Europas und zählt zu den fünf weltgrößten Unternehmen der Branche sowie zu den bedeutendsten Lebensmittelunternehmen Spaniens.
Kraken sind komplexe fühlende Wesen mit beeindruckenden kognitiven Fähigkeiten
Kraken gehören zu den achtarmigen Tintenfischen, innerhalb derer der Octopus mit mehreren Arten eine eigene Gattung bildet.
Kraken besitzen acht Arme (vier Armpaare), die mit einer doppelten Reihe Saugnäpfe ausgestattet sind. Sie nutzen ihre Arme, um sich auf dem Meeresboden zu bewegen, und haben meist einen Lieblingsarm, den sie häufiger benutzen als die anderen.
Kraken werden 50 Zentimeter bis vier Meter groß und haben kein Stützskelett, wodurch sie extrem beweglich sind und selbst durch engste Spalten und Löcher schlüpfen können. Auf der Flucht verwenden sie das Rückstoßprinzip, indem sie das Wasser aus ihrer Mantelhöhle durch einen Trichter nach draußen drücken und können auch eine tintenartige Flüssigkeit absondern, um Feinde zu irritieren.
Kopffüßer sind die einzigen Weichtiere, die ein geschlossenes Kreislaufsystem besitzen. Kraken haben drei Herzen – ein Hauptherz und zwei Kiemenherzen – durch die blaues Blut auf Kupferbasis (anstelle rotes Blut auf Eisenbasis) gepumpt wird.
“This is probably the closest we will come to meeting an intelligent alien.”

Kraken besitzen ein hoch entwickeltes Nervensystem, mit einem zentralen Gehirn und einem peripheren Nervensystem in den Armen. Das Gehirn hat „nur“ 80 Millionen Neuronen, während die Arme und besonders die Saugnäpfe etwa viermal so viele – 300 Millionen Neuronen – enthalten. Die Arme können Bewegungen unabhängig vom Gehirn steuern und unabhängig voneinander schmecken und tasten – echtes “Multitasking”.
Kraken gehören zu den intelligentesten und verhaltensmäßig vielfältigsten Wirbellosen. So bewältigen sie viele Irrgarten-Probleme effizienter als die meisten Säugetiere. Und die kleine Krake Amphioctopus marginatus sammelt Kokosnussschalen, um sie später als Behausung zu benutzen – ein unter Wirbellosen einzigartiges Beispiel planvollen Vorgehens.
Einmal erlernte Fähigkeiten werden nicht von Generation zu Generation weitergegeben, weil Wirbellose keine Eltern-Kind-Beziehungen wie Säugetiere aufbauen. Zwar können sie das Verhalten von Artgenossen imitieren, dies kommt jedoch fast nur in Gefangenschaft vor, da sie Einzelgänger sind. Kraken erreichen maximal ein Lebensalter von drei Jahren. Alle Kraken vermehren sich nur einmal im Leben und produzieren außerordentlich viele Nachkommen – ein weiblicher Oktopus legt etwa 200.000 Eier – einige Wochen bis wenige Monate danach sterben die Tiere.
Kraken sind einfach "magic"
Kraken besitzen sehr gute Linsenaugen mit mehr Fotorezeptoren als Wirbeltiere, was bedeutet, dass ihr Sehvermögen viel besser ist als das eines Menschen. Obwohl sie farbenblind sind und nur in Graustufen sehen können, sind sie in der Lage, die Polarisationsebene des Lichts zu unterscheiden. Einige Arten können Licht sogar mit der gesamten Körperoberfläche wahrnehmen. Kraken besitzen besondere Hautzellen, die sogenannten Chromatophoren, die ein Pigment (Farbstoff) enthalten und von Muskeln umgeben sind. Werden diese Muskeln angespannt, dehnt sich eine Chromatophorenzelle aus und verändert dadurch ihre Farbe. Kraken können die Farbe und auch die Form ihrer Haut innerhalb weniger Sekunden ändern und sind wahre Meister der Tarnung.

Roger Hanlon veranschaulicht in seinem TED Talk, 2019, die Verwandlungsfähigkeit der Kraken “Die beeindruckenden Gehirne und Hautanpassungen von Oktopussen und anderen Kopffüßern”
Ein fühlendes Wesen erkennt, beobachtet und reagiert auf die Dinge um sich herum. Fühlende Wesen haben auch die Fähigkeit, die Handlungen anderer in Bezug auf sich selbst und Dritte zu bewerten, sich an einige ihrer eigenen Handlungen und deren Folgen zu erinnern, Risiken einzuschätzen und haben ein gewisses Maß an Bewusstsein. Es gibt wissenschaftliche Beweise für die beträchtliche Wahrnehmungsfähigkeit, emotionale Reaktionen, das Lang- und Kurzzeitgedächtnis, Werkzeuggebrauch und soziales Lernen von Kraken. Dies zeigt, dass sie komplexe fühlende Wesen mit beeindruckenden kognitiven Fähigkeiten und der Fähigkeit zu leiden sind.
Sehr zu empfehlen ist der hoch emotionale Film “Mein Lehrer, der Krake” (im Original "My Octopus Teacher") von 2020, der mit einem Oscar als beste Dokumentation ausgezeichnet wurde.
Kraken sind für die intensive Tierhaltung absolut ungeeignet
Aufgrund ihrer außergewöhnlichen Eigenschaften sind Kraken für die intensive Tierhaltung absolut ungeeignet. Die ersten Versuche, Kraken und andere Kopffüßer-Arten zu züchten, fanden schon in den 1960er-Jahren statt. Doch erst in den 1980er-Jahren wurden groß angelegte Versuche mit der Krakenzucht durchgeführt und später der Entwicklung der für die kommerzielle Ausweitung der Krakenzucht erforderlichen Technologie mehr Aufmerksamkeit gewidmet.
Der Gemeine Krake, Octopus vulgaris, ist die Art, an der Europa am meisten Interesse für die Zucht hat. Spanien, teilweise unterstützt von der Europäischen Union, hat die Forschung zur Zucht von Octopus vulgaris geleitet, zunächst in Netzkäfigen im offenen Meer und in jüngster Zeit in Tanks an Land. Das spanische Institut für Ozeanographie (IEO) in Vigo hat eine exklusive Vereinbarung über eine patentierte Produktionsmethode mit dem Unternehmen Nueva Pescanova getroffen, das die Forschung in seinen Einrichtungen vorangetrieben hat.
Es wurden jedoch erhebliche Probleme bei der Zucht gemeldet:
Kannibalismus ist ein großes Problem für die Kraken-Massentierhaltung. Kraken sind EinzelgängerInnen. In der kommerziellen Aufzucht werden sie jedoch in hoher Dichte gehalten, was für sie Stress bedeutet und zu Kannibalismus führt.
Die Bereitstellung von geeignetem Futter ist einer der größten Engpässe bei der Produktion im kommerziellen Maßstab. Da Kraken fleischfressend sind, entwickeln Industrie und Forscher derzeit Futtermittel auf der Grundlage von Fischmehl und Fischöl. Diese stammen in der Regel aus Wildfang, was die Überfischung der Meere weiter vorantreibt (ungefähr 20-25 % aller wild gefangenen Fische werden zur Herstellung von Fischmehl und Öl verwendet – Futter für fleischfressende Zuchtfische in Fischfarmen.)
Kraken haben während ihres Lebens nur eine einzige Fortpflanzungsepisode, danach sterben sie. Daher muss der Brutbestand bei jedem Kulturzyklus erneuert werden. Krakeneier werden entweder durch spontanes Laichen von in der Wildnis entnommenem Brutbestand gewonnen oder direkt in der Wildnis gesammelt und in vitro befruchtet, was schädliche Auswirkungen auf die natürliche Population hat
Auch noch nicht bekannt ist, wie die Oktopusse getötet und betäubt werden sollen. Bisher gängige Tötungsmethoden sind das Einschneiden des Gehirns, das wiederholte Schlagen des Kopfes auf festen Untergrund oder das Ersticken in einem Netz. Die Betäubung mit Elektroschocks oder CO2 wird gerade erforscht. Diese könnten den Leidensprozess aber sogar noch verlängern. Eine schnell wirksame Betäubung für Oktopusse gibt es noch nicht.
Petition gegen Oktopus-Farmen in der EU
Der spanische Fischereikonzern Nueva Pescatora will im Hafen von Las Palmas auf Gran Canaria eine hochmoderne, kommerzielle Anlage zur Zucht von Oktopussen bauen. Auf 50.000 Quadratmetern sollen dann nach Informationen der schwedischen Tierschutzorganisation Project 1882 und der Eurogroup for Animals jährlich etwa eine Million Kraken geschlachtet werden – für geschätzte 3.000 Tonnen Fleisch. Auch andere spanische Unternehmen interessieren sich zunehmend für die Krakenzucht. Und weitere Farmen in anderen Ländern, u.a. Mexiko und Japan, könnten folgen. Project 1882 hat im Rahmen einer Petition bis Anfang September 2024 bereits 45.000 Unterschriften gegen kommerzielle Oktopus-Farmen in der Europäischen Union gesammelt und hat sich das Ziel gesetzt, auf 50.000 zu kommen.
Hier findest du Informatioanen und die Petition: https://www.project1882.org/octopus
"Wir haben die Möglichkeit, die Krakenzucht zu stoppen, bevor sie beginnt", sagte Elena Lara von CIWF (Compassion in World Farming) gegenüber GEO, "um das Leiden zu vermeiden, das Schweinen, Hühnern und anderen Tieren in Massentierhaltung zugefügt wird – sowie die Schäden, die diese Systeme für unsere Umwelt und die Gesundheit der Menschen verursachen." Ginge es nach den Kritikern etlicher Wissenschaftler, würde nicht nur die Farm in Las Palmas verhindert – sondern die Krakenzucht komplett verboten. Beispiele dafür gibt es schon. Im März 2024 verabschiedete der US-Bundesstaat Washington ein Gesetz zum Verbot der Tintenfischzucht (das weltweit erste dieser Art), im September folgte Kalifornien. In Hawaii sind entsprechende Gesetze in Vorbereitung. Die Befürworter des Verbots betonen die hohe Intelligenz des Kraken und die einzigartigen kognitiven und emotionalen Fähigkeiten, die dieser Art zugeschrieben werden. Die Frage ist: Werden diese Argumente helfen, auch in Europa Kraken-Fabriken zu verhindern und zusätzlich zu einem Verbot der Krakenfischerei führen? Dafür braucht es Engagement und Unterstützung von vielen und eine Sensibilisierung für diese zauberhaften, faszinierenden Wesen.
