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  • AutorenbildAndrea Hinz

Wie man ein zweites Leben ermöglicht

Aktualisiert: 14. Juni

Lebenshöfe, wie der Verein Tierfreiheit in Kleve, bieten geretteten Tieren aus Mastanlagen, Versuchslaboren und schlechter Privathaltung ein Leben in Sicherheit und die Chance, ihre Traumata zu verarbeiten. Wir sind der Einladung zu einem Mitbring-Brunch gefolgt, konnten einige der BewohnerInnen erleben und uns mit dem Team und den BesucherInnen über die Themen Tierrechte, Veganismus und Ernährungswende austauschen. Mitgenommen haben wir die Idee von sinnstiftenden Geschenken: Patenschaften. Das nächste Weihnachten kommt bestimmt.



Brunch zwischen Pigs & Piglets

Aus der Einladung Brunch zwischen Pigs & Chicks wurde aufgrund der großen Zahl an Anmeldungen ein Brunch zwischen Pigs & Sheep. Und am Tag der Veranstaltung, am 18.05.2024, wurde es dann aufgrund des vorherigen Regenwetters ein Brunch zwischen Pigs & Piglets. Mit einem Blech veganen Kuchen trafen wir gegen 11 Uhr beim Hof Tierfreiheit ein und verbrachten dort drei lebensfrohe, bereichernde Stunden.


Ein zauberhaftes Open-Air-Café

Aus einer Fläche zwischen Unterständen für die Großschweine, einem weitläufigen Außenbereich mit riesiger Suhle, dem Gebäude, in dem noch die alten beengenden Kastenstände zu sehen sind und einer Außenmauer mit altem Tor, haben das Team um Sandra van de Loo-Diel und Christoph Diel, die Initiatoren des Vereins Tierfreiheit, ein gemütliches Open-Air-”Café” gezaubert.


Eine berührende Galerie 

Entlang der Mauern spannte sich eine lange Leine, an der unterschiedlich große Fotoportraits der BewohnerInnen hingen. Die Fotografin Gordana Bursac hat bei mehreren Besuchen des Vereins besondere Momente und Stimmungen festgehalten. Wir erstanden drei wundervolle Motive und etliche weitere Bilder haben die Herzen anderer Gäste berührt. Die Erlöse spendete Gordana an den Verein, ein kleiner Beitrag zu allem, was hier täglich gestemmt werden muss.


Groß und ganz schön haarig

Von den Tischen, an denen wir sitzen und uns unterhalten, blicken wir auf fünf riesige BewohnerInnen, die allesamt gemütlich im Schlamm liegen. Dass Hänsel und Gretel, als Wollschweine, eine ziemliche “Matte” haben, ist nachvollziehbar. Doch auch die anderen haben ein ganz schönes Haarkleid. Ich bin kurz irritiert, da “Schwein” in meinem Kopf erst einmal ein Bild hervorbringt, das zu zartrosa tendiert. Daher frage ich Christoph. Und ja, das Bild ist wahrscheinlich geprägt von den Medien und der Werbung, die hauptsächlich Schweine aus Mastbetrieben darstellen. Allein in Deutschland wurden 2021 rund 52 Millionen Schweine wegen ihres Fleisches getötet. Über 99 Prozent von ihnen leben in der konventionellen Tierhaltung (Quelle Peta). In diesen Tierfabriken ist es extrem eng und warm. Hier benötigt niemand längere, schützende Allwetter-Borsten. Zudem werden Schweine im Kindesalter von ca. sechs Monaten getötet. Am Ende des Geländes ist ein großes Gebäude auf dem Nachbargrundstück zu erkennen. Ein Schweinemastbetrieb. Als Christoph das erzählt, wirkt er auf mich sehr bedrückt.


Ein sinnstiftendes Geschenk

Wir wechseln das Thema…wenn auch nicht ganz, denn nun stehen wir am Unterstand für die Schweine. Und darunter liegt Justus, mein Patenkind. Vor kurzem hat Uwe mir die Patenschaft geschenkt und ich habe mich sehr darauf gefreut, Justus kennenzulernen. Er wohnt seit Mai 2019 auf dem Hof und kam mit Sonia, July und Frieda Trüffel aus einer Schweinehaltung, die aufgegeben wurde. Der Betreiber wünschte sich für seine letzten Schweine ein schönes, schlachtfreies Zuhause und die vier hatten Glück. Beim Verein Tierfreiheit bekam sie ein zweites Leben geschenkt. Justus nun in die Augen zu blicken, zu wissen, dass für ihn liebevoll gesorgt wird bis an sein Lebensende, berührt mich sehr.


Bis ins hohe Alter 

Ein kleiner Abstecher führte uns auf die Schafswiese, auf der ursprünglich der Brunch geplant war. Wir trafen auf eine bunt gemischte Gemeinschaft. Ein wohlwollendes Miteinander von alten Schwarzkopfschafen, die seit 2023 auf dem Hof leben, an die 19 Jahre alten, etwas klapprigen doch immer noch temperamentvollen Kamerun-Schafen, die 2018 aus einem Streichelzoo kurz vor ihrer Schlachtung gerettet wurden und einigen, erst vor kurzem auf den Hof gezogenen, wolligen Schafen. Sandra schrieb neulich auf Instagram dazu: “Wenn man sich auf die Wiese zu unseren Schafen setzt und ihnen zuschaut, fühlt man sich leichter, entschleunigt. Es ist Seelentherapie in der Natur.”


Vida, das Leben!

Unbenommen ist der Star des Tages die winzige Vida, gerade einmal eine Woche alt. Sie ist die kleinste Tochter von Tilda, die schwanger vom Hof aufgenommen wurde und am Muttertag neun Kinder bekam. Vida war zu schwach, um eigenständig zu trinken. Doch Sandra hat es geschafft, sie aufzupäppeln. Das Trinkfläschchen gab es zu Beginn jede halbe Stunde, erzählt sie uns. Ein Trink-Rhythmus, den wir bei Tilda, die mit ihren Kleinen nebenan in einem riesigen Bett aus Heu lebt, beobachten können. Inzwischen erkundet Vida ihre Welt, hört auf ihren Namen und ist extrem neugierig. Wo ist hier der Unterschied zu einem der sogenannten Haustiere, einem Hund zum Beispiel? Überhaupt haben die Begriffe Haus- und Nutztier in dieser Welt keine Bedeutung. Aus Tierrechts- und ethischen Gründen ist die Kategorie “Nutztier” per se nicht haltbar. Es ist die Definition eines Wirtschaftssystems, das von Tierausbeutung lebt. Alle Menschen, die zum Brunch gekommen sind, vereint, dass sie aus diesem System ausgestiegen sind. 


 
Beim Verein Tierfreiheit erlebten wir, was Gordana in unserem Interview mit einer Utopie beschrieb. Ein Ort, in dem das Recht auf Leben für alle gilt und die Stärkeren für die Schwächeren sorgen. Lebenshöfe zu unterhalten ist eine Lebensaufgabe für BetreiberInnen und eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen Freude, Sorge und Trauer. Unsere Dankbarkeit geht an all jene, die sich für ein derartiges Leben entschieden haben und teilhaben lassen an einer Lebensweise, die keinen Speziesismus* kennt. Wenn du hierbei unterstützen möchtest, findest du bestimmt einen Lebenshof in deiner Nähe.

*Der Speziesismus schreibt Menschen einen höheren Status als nicht-menschlichen Tieren zu. Im Gegensatz zu Menschen werden nicht-menschliche Tiere lediglich als Forschungsobjekte, Nahrung, Bekleidungsmaterialien oder Spielzeug erachtet.
 

Über den Verein Tierfreiheit

Der Verein Tierfreiheit e.V. ist ein buddhistisch-veganer Lebenshof für Schweine, Schafe und Hühner. Die Tiere kommen aus Mastanlagen, Versuchslaboren oder schlechter Haltung zu Sandra van de Loo-Diel und Christoph Diel, die den Hof gründeten mit der Vision, ein neues Verhältnis von Mensch und Tier zu leben und zu zeigen. Wenn du unterstützen möchtest, kannst du TierpatIn werden oder eine Patenschaft verschenken.



Über Gordana Bursac


Gordana ist Fotografin und hat zwischen 2021 und 2024 auf 11 Lebenshöfen, darunter der Verein Tierfreiheit, die nicht-menschlichen Bewohner porträtiert. Mehr über Gordana in unserem Interview.




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