Glückliche Kühe, die auf der Weide grasen und von liebevollen Menschen umsorgt sind – schöne Bilder aus der Werbung. Die Realität, die Wahrheit ist ein Alptraum – Zwangsbesamung, Trennung von Mutter und Kalb, frühe Tötung der männlichen und weitere Versklavung der weiblichen Kälber. Anbindehaltung, ausgelaugte Hochleistungskühe und schließlich nach 4 bis 5 Jahren die Fahrt zur Tötung im Schlachthof, um auch noch tot für die Menschen ausgebeutet zu werden.
Das “Kuhaltersheim” Hof Butenland ist das Gegenmodell zur Normalität der Tierausbeutung – eine Insel des Friedens für ausgebeutete Tiere. Hier übernehmen liebe Menschen die Verantwortung dafür, den Tieren ein zweites Leben zu ermöglichen. Ein Leben in Frieden und Gemeinschaft mit Artgenossen.
Vorfreude
Andrea und ich hatten uns schon vor vielen Monaten für einen Besuch auf dem Hof Butenland angemeldet. Nun ist der Tag gekommen. Am Abend vor unserem Besuch schauen wir uns den Film Butenland an und erfahren viel über die Geschichte der Menschen und Tiere. Der Film hat viele aufwühlende, traurige und gleichzeitig viele schöne und bewegende Momente – er berührt uns sehr. Ich selbst kann mir gar nicht vorstellen, mit diesem dauernden Wechsel von Trauer und Freude zurechtzukommen. Wir sind beeindruckt von der Motivation und dem Einsatz von Jan Gerdes und Karin Mück, den GründerInnen von Hof Butenland und den aktuell auf dem Hof lebenden und arbeitenden Menschen.
Auf uns machen die Menschen, die wir treffen, einen entspannten, begeisterten und zufriedenen Eindruck.
Ich stelle mir vor, dass ihre Arbeit sehr schwer und oft traurig ist, und gleichzeitig Kraft und Energie gibt und eine tiefe Zufriedenheit und Erfüllung erzeugt.
Liebe Menschen und liebe Schweine empfangen uns herzlich
Wir radeln am 1. Juni 2024, dem “Weltmilchtag” zum Hof Butenland. Heute besteht die Besuchergruppe aus 12 Personen. Wir stehen im Halbkreis vor dem Hauptgebäude, an dem das Schild “Kuhaltersheim” angebracht ist.
Jacqueline, genannt Jacky, stellt uns einer Schweine-Patchwork-Familie vor, die am Eingang zum Schweinehaus diverse Leckereien aus Näpfen isst. Es sind Mina, Daggi, Tango und Olaf, die seit Ende Februar auf Butenland leben.
Ergreifende Schicksale und viel Hoffnung
Weiter geht es in das Schweinhaus, vorbei am Schild “Jagdfreie Zone”. Jan hat Hof Butenland 2014 erfolgreich von der Jagd befrieden lassen. Denn “Grünflächen, die kleiner als 75 Hektar sind, gehören automatisch einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk an” (Quelle:Peta).
Im Stall treffen wir Frederik und Berta. Berta kommt aus einer furchtbaren Mastanlage und ist über einige Umwege glücklich in Butenland angekommen. Frederik ist ein echtes “Stunt”-Schwein. Als Ferkel rettete er sich mit einem Sprung aus einem fahrenden Tiertransporter – er sollte in Holland getötet werden, um dann als Spanferkel zu enden.
Und dann sind da noch Eberhard und Winfried. Beide wurden jahrelang für Versuche von einer Universität ausgebeutet und waren dort in einem gekachelten Raum untergebracht. Eberhard ist der Vater von Winfried und schon stolze 18 Jahre alt. Er kümmert sich liebevoll um seinen Sohn, der aufgrund der Versuche fast taub und blind ist.
Enge Freundschaften und kompetente Menschen
Wir gehen durch den alten Kuhstall, in dem früher die Kühe eng in Anbindehaltung standen, sich kaum bewegen konnten. Nun ist der Stall offen und eingestreut. Manche der aktuell 37 Kühe fühlen sich hier im alten Stall wohl, andere im großen, neuen, hellen Stall.
Der anfallende Mist wird zur Düngung der Felder und Wiesen genutzt, auf denen die Tiere grasen oder Futter in Form von Heu produziert wird.
Draußen treffen wir die beiden KuhfreundInnen Clara und Wolke. Sie sind gerade nicht auf der Weide, da es Wolke nicht so gut geht und sie erst einmal genesen soll. Clara und Wolke sind unzertrennlich, zwei von vier Rindern, die Jacky, die uns über Hof und Gelände führt, gerettet und mit auf den Hof gebracht hat. Wolke wurde ohne Hörner gezüchtet und wir erfahren von Jacky, daß dies ihre Temperaturregelung beeinträchtigt.
Wir sind beeindruckt von der Fachkenntnis und der Fürsorge der Butenländer Menschen für alle tierlichen Mitbewohner.
Das bestätigt sich auch, als wir die Schettys Duko und Mimi treffen. Sie sind sehr neugierig und kommen ans Gatter gelaufen. Die Ponys kommen von einem Gnadenhof, dessen Betreiber altersbedingt überfordert mit der Pflege waren. Auf Butenland wurden ihre Hufe versorgt und ihr Futter wurde angepasst. Die Tiere auf Butenland sind meist alt und gezeichnet von ihrer Ausbeutung. Sie benötigen Liebe, Zuwendung, Pflege und medizinische Versorgung.
So auch der 29-jährige Cello, der früher für Springturniere ausgebeutet und total ausgelaugt wurde, so dass er eine Art Burn-out-Syndrom entwickelte. Er ist lungenkrank und hat ein Cushing-Syndrom.
Ananas und Bananen für Berta und Frederik
Auf dem Weg zur Kuhweide treffen wir Berta und Frederik auf der Weide wieder. Einige Besucher haben Leckereien für die Tiere dabei. So ergattert Frederik eine Ananas und zischt damit ab. Berta ist ein wenig perplex, bekommt dann als Entschädigung Bananen und Möhren und stöbert dann weiter im saftigen Gras.
Wir laufen ein Stück zusammen mit Jan. Er wirkt entspannt, zugewandt und offen. Er erzählt von Max und Moritz, den Junioren unter den Rindern. Sie sind erst ein Jahr alt und wie Clara und Wolke von Jacky gerettet worden. Sie wurden von den Butenlandkühen adoptiert und nun liebevoll umsorgt.
Jan ist es wichtig, dass sein Lebenshof eine solide Basis hat und sein Fortbestehen gesichert ist. Daher hat er die Stiftung für Tierschutz gegründet. Das Kapital der Stiftung ist zweckgebunden: „… durch Aufklärung und gutes Beispiel, Liebe und Verständnis für die Tierwelt zu wecken und das Wohlergehen und eine artgerechte Haltung von Tieren zu fördern.“
Was immer auch in Zukunft passiert – die tierlichen BewohnerInnen auf Butenland sollen niemals mehr für den Menschen ausgebeutet oder gar geschlachtet werden. Butenland soll ein Ort des Friedens und der Aufklärung bleiben.
Jan ist froh über die stabile SpenderInnen-Gemeinschaft. Viele Menschen können sich zwar aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr leisten zu spenden, doch kommen glücklicherweise immer neue SpenderInnen dazu.
Goofy – ein Schulprojekt
Wir sind beeindruckt von Goofy. Ein imposantes Rind mit großen Hörnern. Er liegt entspannt im Gras und ist mit Wiederkäuen beschäftigt. Er stört sich gar nicht an der Besuchertruppe, die hier auf der Weide rumstolpert. Goofy ist prominent. Er war Teil eines Schulprojektes, bei dem Kinder den Lebensweg eines Kälbchens bis zum Tod, durch Schlachtung, begleiten sollten. Der Tod beziehungsweise der Mord an Goofy war dann glücklicherweise doch zu viel für die Klasse und viele Tierschützer und so kam Goofy über den Umweg einer Ausbeutungsstation als Zugochse in einem Museumsdorf nach Butenland.
Die Begegnung mit Manuela
Ich werde auf eine Kuh aufmerksam, die sanfte, gurrende Laute von sich gibt und sich anschickt langsam und etwas mühselig aufzustehen, um dann in unsere Richtung zu laufen. Sie hat wunderschöne, wache, aufmerksame Augen und ein weiches, glänzendes Fell. Sie lässt sich am Kopf streicheln und ich spüre, dass sie mir vertraut. Sie ist so groß und gleichzeitig so sanft.
Die Kuhdame heißt Manuela und ich erfahre von Jacky, daß sie 19 Jahre alt ist und seit 13 Jahren ButenländerIn. Sie hat furchtbare vier Jahre als Versuchstier in einem Labor verbringen müssen. Dort wurde ihr Bauchraum geöffnet, um ihren Panseninhalt im Rahmen von Versuchen zur Futtermittel Optimierung zu entnehmen. Versuche, damit die Kühe noch mehr Hochleistung bringen, noch mehr Milch geben. Sie stand in diesem Labor in ständiger Anbindehaltung, ohne Reize aus der Umwelt, ohne die Möglichkeit von sozialen Kontakten.
Es muss eine Tortur für Manuela gewesen sein – die täglichen Griffe in ihren Bauch. Nach zwei Operationen und der liebevollen Pflege auf Butenland konnte ihr Bauchraum geschlossen werden und verheilen. Die Stelle, an der die Öffnung war, ist immer noch zu erkennen. Eine große Vertiefung in ihrem wunderschönen Fell. Trotz dieser Erfahrungen wirkt sie zutraulich – wenn auch vorsichtig, wenn man sich ihren schlimmen Stellen nähert. Ich bedaure so sehr, was ihr passiert ist und schäme mich für die Menschen, die Manuela missbraucht haben. Allein für eine noch höhere Ausbeute aus der Milch-Maschine Kuh. Doch Manuela ist keine Maschine. Ich stehe neben einer Persönlichkeit mit Gefühlen, Bedürfnissen und Rechten. Manuela wurde nicht gefragt, sie wurde von Menschen “gebrochen”. Opfer im Unrechtssystem des Speziesismus, indem der Mensch sich anmaßt, über das Schicksal der Welt und der Tiere zu bestimmen. Ich spüre Manuelas Wärme und eine enge Verbundenheit zu ihr.
Mattis - das alternde Riesenbaby
Die Begegnung mit Manuela hat mich sehr berührt. Wir gehen weiter an neugierigen ButenländerInnen vorbei und sehen schon von weitem den imposanten Mattis allein auf einer Weide stehen. Beeindruckt von seiner Größe fragen wir, ob wir zu ihm gehen können. Zusammen mit Jacky nähern wir uns dem Riesen. Er lässt sich überhaupt nicht von uns stören und grast genüsslich weiter. Mattis wurde auf Hof Butenland geboren, weil seine Mutter hochschwanger gerettet wurde. Er durfte, anders als die meisten der knapp 4 Millionen Kälber, die jedes Jahr in Deutschland geboren werden, bei seiner Mutter bleiben und noch zwei bis drei Jahre deren Muttermilch trinken.
Im letzten Jahr ist seine Mutter gestorben und er steht seitdem öfter allein. Ochsen wie Mattis sind auf Gewicht und schnelles Wachstum gezüchtet. Es ist nicht geplant, dass die Mastrinder älter als 1,5 bis 3 Jahre alt werden. Dann werden sie geschlachtet. Mattis ist inzwischen 12 Jahre, also schon viermal so alt und man sieht ihm die Last seines Körpers an. Er hat stark geschwollene Gelenke.
Ein wunderschöner Tag
Auf Hof Butenland leben neben den Schweinen, Rindern und Pferden auch viele Gänse, Enten, Hühner, Hunde, Katzen und Pfaue. Am Ende des Rundgangs, versammeln wir uns wieder am Haupthaus mit Jan und Jacky.
Andrea fragt Jan, was ihn motiviert. Er sagt “Genau das hier. Das Lächeln und die Freude im Gesicht der Menschen, die Butenland besuchen und sehen, wie die Tiere hier leben können, wie es auch sein kann.”
Jan hat jüngst weitere sieben Hektar Land für die Stiftung gekauft. Er möchte es für die ButenländerInnen nutzen und verhindern, dass umliegende Milchbauern das Land dafür verwenden, um noch mehr Hochleistungskühe zu halten und auszubeuten. “Da gab es einigen Unmut in der Nachbarschaft”, sagt Jan verschmitzt.
Es war ein wunderschöner Tag mit bereichernden Begegnungen und Gesprächen mit allen ButenländerInnen - den nicht-menschlichen und mit den menschlichen Tieren.